TUT

The Unimportant Things (1989 – 1999)

Cairo gründete das Projekt Ende Mai 1989 in Leipzig. Die eigentliche Band (The Real Deal) war auf Eis gelegt. Da Cairo und seine Familie einen Ausreiseantrag laufen hatten, war es in Sachen Auftrittsplanung einfach zu unsicher geworden. Kein Mensch wusste ja vorher, wann (und ob) die Staatsoberen den Antrag genehmigen würden. Zudem fehlte der Band zu dieser Zeit ein Bassist. Aber ohne Musik warten auf Godot? Nicht mit Cairo!

Es war eine schwierige Situation. Wir hatten mit Real Deal im Mai noch einige Auftritte mit einem neuen Bassisten. Und klar, man hätte einfach bis zum bitteren Ende weitermachen können. Aber ich fand das ungerecht gegenüber den Jungs. Dass sie dann vielleicht auf einmal allein dastehen würden. So ein Auftritt ist ja auch eine Verpflichtung, gegenüber dem Veranstalter und vor allem gegenüber dem Publikum. Wir mussten dann sogar eine Anfrage für das Rockfestival am Eiskeller [heute Coney Island], das im Juni stattfinden sollte, absagen. Keine leichte Entscheidung. Naja.
Aber ohne Musik ging’s natürlich nicht. Also habe ich zuhause angefangen Sachen aufzunehmen. Ganz rudimentär. Gitarre, Stimme, Töpfe, Eimer etc. Mit zwei Kassettendecks. Immer wieder hin und her überspielt. Qualitätsmäßig ein Witz. So noisy-trash-pop. Die Tapes habe ich dann verschickt. Aber mehr als 15 von jedem bestimmt nicht … Im Netz findet man irgendwo auch ein MP3 und das Cover vom ersten TUT-Tape.

Cairo im Sommer 1989 in der Leipziger Wohnung – hier entstanden die ersten beiden TUT-Tapes. Foto (c) Felicitas Reininghaus

So fing er an im Wohnzimmer der Salzmannstraßen-Wohnung (Hausnummer 7) mit Sounds zu experimentieren (Gitarre, Stimmen, Geräusche, Bass, Schlaginstrumente – inklusive Kochtöpfen), hin und wieder unterstützt von einigen Freunden (Kaiman zum Beispiel oder Mike Hartung, der einige Zeit später Love Is Colder Than Death gründen sollte), seiner Frau und seinem Sohn (mit seinen acht Monaten war er ein begeisterter Zuhörer).

Das Coverbild vom Tape LAND WITHOUT PEOPLE (August 1989) entstand im Wohnzimmer der Leipziger Wohnung in der Salzmannstrasse 7 (c) Foto: Felicitas Reininghaus

Dass TUT so quasi in den letzten Atemzügen eines untergehenden Landes entstand, wusste da natürlich niemand. Aber auf den ersten beiden Tapes, die Im Juni und August 1989 noch zu DDR Zeiten erschienen, kann man Spuren der Veränderungen ringsherum finden. So ist der Titel des August-Tapes mit „Land Without People“ (auch ein Album-Track) schon sehr deutlich. Ein weiterer Song ist „Train 00:18 a.m.“ – eine Anspielung auf den typischen Zug für Ausreisende in Leipzig (mitten in der Nacht, damit die guten DDR-Bürger nicht davon erschreckt wurden).

Die ersten beiden TUT Tapes von 1989

Die ersten beiden TUT Tapes erschienen im Juni und August 1989.

Alles analog: Die Tape Factory

Frisch in der damaligen BRD angekommen (der Ausreisetermin war der 14.09.1989), legte sich Reininghaus einige Monate später ein analoges Vierspur-Aufnahmegerät zu.

Das war ein Traum von mir, seit ich zwei Jahre zuvor so ein Teil im Einsatz gesehen hatte. Mit der damaligen Band [Reininghaus] hatten wir eine kleine Aufnahme-Session bei Cäsar, dem Vater unseres Bassisten [Robert Gläser]. Und der hatte einen Vier-Spur-Recorder. 4 Spuren auf einer normalen Kassette! Ich war total aus dem Häuschen. Im Osten war so was eine echte Rarität, vom Preis ganz zu schweigen … Nun also war es soweit! Mit einem Mal wurde vieles möglich, gerade wenn man allein alle Instrumente einspielt. Es war, als würde man ein Tor öffnen, wo vorher nur eine schmale Tür gewesen war.

Bis Mitte 1993 entstanden so eine ganze Reihe von Tapes. Dabei nutzte Reininghaus auch ganz bewusst die visuellen Möglichkeiten der Covergestaltung – mit Schere, Rubbelbuchstaben und Kopiergeräten entstanden so noch vor der Digitalisierung klassische analoge Arbeiten. Die Tapes hießen bspw. Emotional Clearing, Dark, The Wild & The Innocent und Higher Places … Insgesamt erschienen bis Sommer 1993 fünf Kassetten.

Die Instrumente waren überschaubar: ein Korg Drumcomputer (DD 220), ein Korg Poly 800 Synthesizer, eine billige Bassgitarre, diverse Effektgeräte und natürlich die aus der DDR mitgebrachte Musima E-Gitarre.

Ich habe nach und nach gebrauchte Instrumente gekauft, ziemlich günstig waren damals analoge Synthies. Den Poly 800 etwa für rund 350 Mark, dann einen Bass für 200 Mark – um das bezahlen zu können, habe ich meine Mosaik-Sammlung verkauft [Comic-Serie aus der DDR]. Klar, war das ein emotionaler Verlust, aber ich brauchte diese Sachen. Meine Gitarre hatte ich aus der DDR mitgebracht, und einen Korg-Drumcomputer, den ich noch vom letzten Ostgeld von Mike Hartung erstanden hatte.

Eine Auswahl remasterter Songs der mittleren TUT-Jahre sind hier versammelt: Zu hören sind: WONDER WHY | THE SILENCE OF A DREAM | ALL MY LOVE …

The Next Level: Die TUT Classic Alben 1994 – 1996

Im Spätherbst 1993 ergaben sich durch die Anschaffung eines analogen 8-Track-Recorders (Yamaha) neue künstlerische Möglichkeiten. Und Cairo explodierte förmlich: Songs über Songs entstanden in den folgenden drei Jahren. Und nicht nur die Aufnahmequalität wurde besser, die Musik überhaupt veränderte sich … drei Alben in drei Jahren, ein mega Output: 1994 / Voices / The Yellow Land.
To be continued …

Reininghaus in seinem „Home Studio“ in Tübingen – ca. 1994. Rechts im Bild ist das neue Yamaha 8-Spur- Tapedeck zu sehen (Foto: Felicitas Reininghaus).

Weiter geht’s mit dem Tape „1994“ hier!

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